Die erste Kerze am Adventkranz: Heilige Sehnsucht! Sehnsucht nach einem großen heiligen Ideal!

Nicht ausgebrannte Ruine sein, abgebrüht, begeisterungslos, für nichts Großes, Edles, Heiliges mehr begeisterungsfähig, sondern ein Ideal haben. Das größte Ideal? Christus! Ihn anziehen! So schließt die wuchtige Aufforderung des hl. Paulus in der heutigen Adventepistel: Brüder...

Christus anziehen. Das geht nicht auf einmal, so wie man am Sonntagmorgen schnell in sein schönes Feierkleid hineinschlüpft. Christus anziehen. Das geht nicht an einem Tag, nicht einmal in einer Woche. Das gelingt nicht einmal in der Adventzeit allein. Dazu braucht man ein ganzes Kirchenjahr und ein zweites, ein drittes usw. bis hin zum letzten Sonntag im letzten Kirchenjahr...

Wenn man nur immer wieder beginnt. Immer wieder aufsteht vom Schlaf. Von aller Verschlafenheit, Müdigkeit, Lauheit.

Christus anziehen? Wie denn?

Wie soll ich euch das klar machen?

Ihr habt neulich zum Namenstag der Mutter Oberin das sinnige russische Legendenspiel „Wo die Liebe ist, da ist Gott“ aufgeführt.

Der Schuster Martin. Verärgert, verbittert, vergrämt, lebensmüde, lebensüberdrüssig. Zu viel an Leid ist über ihn hereingebrochen. Ein einsamer, enttäuschter, gebrochener Mensch. Was hat für ihn das Leben noch zu bieten? Ist es nicht sinnlos geworden? Ist es nicht gescheiter, Schluss zu machen? Schon nimmt er den Strick.

Da klopft es. Ein Pilgrim. Ein Bote Gottes. Der weist ihn hin auf den Brief, den der Vater im Himmel geschrieben hat: Die Hl. Schrift. Die Evangelien. Der Pilgrim liest dem Schuster Martin vor. Vom Herrn Jesus. Und seiner Güte. Seiner Liebe. Erster Trost nach langer Zeit senkt sich in das wunde Herz des gebrochenen Mannes. Der Pilger geht wieder. Hinterlässt dem Schuster aber die Hl. Schrift.

Darin liest er nun. Und liest. Und lernt Christus kennen. Und heilige Sehnsucht bricht in ihm auf. Und er erwartet Christus. Und wird in seinem Warten nicht enttäuscht. Auch dann nicht, als Christus selbst in seiner hochheiligen Person nicht in seiner Werkstatt einkehrte, wohl aber mit seinem Geist, mit dem Geist der Liebe. Und mit seiner Gnade. Denn durch Werke der Liebe am frierenden Straßenkehrer, an der obdachlosen Mutter mit ihrem Kindlein, am Straßenjungen den er belehrt und in Schutz nimmt, zieht der Schuster Martin die Gnade Christi in sein Herz hinein und durch die Gnade schmilzt das Eis der Verbitterung in seiner Seele. Friede zieht bei ihm ein, Freude, Christus selber, dem er in seinen geringsten Brüdern gedient hat. Und so wurde der Schuster Martin immer christusförmiger, er, der einfache, schlichte Mensch, wuchs über sich hinaus, er, und sein armseliges Ich nahm ab, Christus aber wuchs in ihm. Er zog Christus an.

Habt ihr gehört, wie ihr Christus anziehen sollt?

Durch Lauschen auf sein Wort: Hl. Schrift! Wort Gottes. Christus kennenlernen, Christus lieben lernen. Er ist das große Ideal. So werden wie er war, nein, wie er ist. Und so handeln wie er.

Christus und der Christ: Es muss Ähnlichkeit zwischen beiden herrschen. Je mehr, desto besser. Er ist uns ähnlich geworden, ist uns gleich geworden, hat Knechtsgestalt angenommen, ist Mensch geworden, uns in allem gleich, die Sünde allein ausgenommen. Wir aber sollen nun Christus ähnlich werden. Das geht nicht auf einmal. Aber bemüht euch darum. Sucht Christus kennenzulernen. Schaut auf ihn. Hört auf ihn.

Christus der Mensch, der ganz edle, gute schöne, feine Mensch, der edelste, beste schönste, feinste, den unsere Erde getragen:

Seine Haltung! Aufrecht, hoheitsvoll, zuchtvoll.

Sein Blick! Rufend, werbend, lockend. „Er schaute ihn an und sprach: Komm, folge mir nach!“ Und der Blick des Herrn und sein kurzes Wort genügte. Der junge Mensch war fasziniert. ER verließ alles und folgte Jesus nach.

Sein Wort: Wie trostvoll, wie klar, wie wahr, wie inhaltsreich. Botschaft vom Vater. Frohbotschaft der Liebe.

Seine Hand: Gütig, hilfsbereit den Kranken, den Kindern gegenüber. Machtvoll den Elementen gegenüber. So edel fein und so einmalig in ihrer Gebärde, dass ihn die Emmausjünger allein daran erkannten: Am Brotbrechen.

Christus Gott: vielleicht könnte auch der größte und edelste Mensch auf die Dauer die Unersättlichkeit des Menschenherzens und seiner Sehnsucht erfüllen. Christus ist aber nicht nur Mensch. Er ist auch Gott. Gottmensch. Gott! Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Gott. Das hat Johannes, der Liebesjünger erfahren, der am Herzen des Gottmenschen ruhen durfte beim Letzten Abendmahl. Da hat Thomas erlebt: Gib her deine Hand, leg sie in meine Sseitenwunde und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Da sinkt der Zweifler vor dem Auferstandenen Gottmenschen in die Knie: Mein Herr und mein Gott!

Ihr jungen Menschen wollt es nicht glauben, dass Christus, der Gottmensch ein Herz mit all seiner Sehnsucht stillen kann. Gebt euch ihm hin, liebt ihn, schenkt euch ihm in jugendlicher Begeisterung. Werdet eine christusfrohe, christusliebende Jugend und ihr werdet erkennen: Er, der Gottmensch, kann einem wirklich Eins und alles sein, Sehnsucht und Ziel des suchenden Menschenherzens! Jesus, dir leb ich...

Aber das Ideal lässt keine Ruhe, es beunruhigt.

Auch das Ideal Christus! Ihr müsst unruhig werden in heiliger Unruhe, in heiliger Unzufriedenheit mit euch selber: Nicht stehenbleiben, nicht steckenbleiben: Christus muss in euch Gestalt gewinnen! Christus müsst ihr anziehen. Und darum gut werden wie er. Das Gute in euch entfalten, das Böse in euch bändigen. Christus muss in euch aufleuchten, er muss in euch empfangen und geboren werden und immer mehr wachsen, heranwachsen zur vollen Reife!

Wie war Christus? Und wie sollte ich sein, wenn ich ihm ein klein wenig wenigsten ähnlich sein soll?

War Christus oberflächlich, leichtsinnig, unwahr, verlogen?

Nein, in ihm war alles echt, edel, geradegewachsen, nichts Krummes, nichts Buckliges, in ihm gab es nicht Heuchelei und Verstellung. Bei ihm gab es nicht äußeren Schein, dem das innere Sein nicht entsprochen hätte.

Und wie steht es mit dir? Arbeite an dir, bemüh‘ dich, ring dich tapfer durch alles Dunkle, Ungute, Böse, auf, werde Licht!

Und echt wie Christus. Mach dir nichts vor und mach‘ anderen nichts vor. Nichts scheinen wollen, etwas sein, echt, gerade, wahr, lauter und durch und durch sauber!

Und war Christus etwa opferscheu, feige, empfindlich, nachträgerisch?

Groß steht Christus vor uns in seiner Tapferkeit, in seiner Opferbereitschaft, in seiner Hingabe an den Vater, in seiner Liebe zum Kreuz! Der Vater will es! Darum: Ja, Vater!

Müsste es nicht auch bei dir so sein?

Nicht zuchtlos und unbeherrscht, nicht feig und opferscheu, sondern mutig, tapfer, gewissenhaft, pflichttreu! So muss der Christ sein, der Christus ähnlich werden will, der Christus anzieht. Tu es, jetzt im Advent!

Dann würde er kommen! Dann würde er in dir geboren werden. Und das braucht es! Christus muss in dir leben, in dir wachsen, durch ernste Formung deines Wesens nach dem Ideal Christus. Und er muss in dir leben, dadurch, dass du sein Leben, seine Gnade, sein Licht, seinen Geist in dir trägst. Und dann auch so gut bist zu den anderen wie Christus es war zu den Kranken, zu den Sündern, zu den Kindern.

Fang an: Wach auf vom Schlafe. Zieh Christus an! Und es wird dir ergehen wie dem Schuster Martin.

Und Christus ruft dir und mir und uns allen zu: lernet von mir... Und wir rufen zu ihm: Jesus, sanft und demütig von Herzen, mach unser Herz gleich deinem Herzen! Amen